Unter vielen anderen Kuriositäten findet man von Zeit zu Zeit im Internet jahrelang andauernde kontroverse Diskussionen über Lautsprecherkabel bzw. "Kabelklang" im Allgemeinen.
Einige Teilnehmer dieser Diskussionen bezweifeln grundsätzlich die Hörbarkeit von Kabelunterschieden, ja sogar die Unterschiede zwischen Verstärkern, CD-Playern und sonstigen Bestandteilen der Hifianlage.
Zusätzlich findet man nach einigem Suchen Webseiten im Internet, auf denen branchenfremde beflissene Techniker in aufklärerischer Attitüde mit Hilfe des Ohmschen Gesetz nachweisen wollen, dass es keinen „Kabelklang“ geben könne.
Dem gegenüber stehen weltweit jahrelange Erfahrungen von unzähligen Hörern und Audio-Entwicklern.
Allein die Tatsache, dass Kabelklang seit über vierzig Jahren nicht aus der Diskussion verschwindet, zeigt deutlich die gleichbleibende Relevanz dieses Themas. Auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur findet die Kabelthematik bei Audiowiedergabe immer mehr Beachtung.
Glaubensfrage
Es scheint bei einigen Diskutanten eher so zu sein, dass die Frage „Kabelklang – ja oder nein“ zu einer Glaubensfrage mutiert ist.
Diejenigen, für die aufgrund ihrer jahrelangen Hörerfahrungen die klangbeeinflussende Wirkung von Kabeln kennen, werden sich natürlich durch keinerlei physikalischen Techtalk oder Küchenpsychologie von selbsternannten Aufklärern ihre eigenen Erfahrungen wegdiskutieren lassen, während ihre Kontrahenten jeden diesbezüglichen Eigenversuch ablehnen (weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf) und gebetsmühlenartig ihre Forderung nach Blindtest und messtechnischem Nachweis stellen.
Werden dann tatsächlich messtechnische Nachweise von Kabelunterschieden oder Ergebnisse von Hörtests geliefert, werden diese als ungeeignet, in irgendeiner Weise vorbelastet oder von der Größenordnung des Ergebnisses her als irrelevant betrachtet.
Eine Schleife ohne Ende.
Immerhin erkennt man mittlerweile an, dass da wirklich etwas gehört worden sein könnte.
Zu viele weltweite Berichte von ernstzunehmenden und fachkundigen Hörern liegen mittlerweile vor.
Allerdings werden dann diese Hörerfahrungen etwas lahm und sehr pauschal als „Autosuggestion“ abgetan.
So entsteht die merkwürdige Vorstellung einer weltweiten Massenautosuggestion, in der alle Beteiligten ferngesteuert in ähnlicher Weise hören. Das Ganze dann erzeugt durch die harte Kopfwäschearbeit der Hifi-Mafia und der ihnen verbundenen Mediensöldnerschaft.
Damit haben sich die Kabelklanggegner leider freiwillig in die Ecke gestellt, die normalerweise paranoide Verschwörungstheoretiker für sich reserviert haben.
Nehmen wir mal an, es handele sich tatsächlich nur um eine Art Autosuggestion, von welchen Faktoren könnte nun diese beim "Kabelklanghören" theoretisch gespeist werden, wenn es schon nicht die Klangqualität ist?
Preis, Optik, Markenprestige?
Je schöner das Kabel, je renommierter der Hersteller, je höher der Preis, desto besser das Kabel?
Gegen Optik und auch Markenprestige kann man eigentlich nichts sagen. Eine gute Haptik und ein Vertrauensvorschuss in einen jahrelang bewährten Hersteller sind legitime Gründe der Entscheidung für ein Produkt, für die man sich nicht zu rechtfertigen braucht. Bleibt also der Preis.
Dem widerspricht aber die Praxis. Die meisten Musikliebhaber, die an der Optimierung ihrer Wiedergabeanlage in Sachen Verbindungskabel interessiert sind, bevorzugen eine möglichst preiswerte Lösung, die aber dennoch ihren Ansprüchen genügt.
Dazu werden in der Regel verschiedene Kabel über einen längeren Zeitraum miteinander verglichen, um eben so etwas wie Autosuggestion oder das Hereinfallen auf aufgesetzte vordergründige Effekte zu vermeiden.
Wenn man überhaupt von einer vorgefertigten Meinung oder Wunschvorstellung vor dem Test unterschiedlicher Kabel reden kann, dann geht die erfahrungsgemäss zu Lasten der teureren Produkte.
Jeder hofft beim Testen, dass der Unterschied zwischen zwei preislich unterschiedlichen Kabeln zugunsten des preiswerteren ausfällt.
Die Vorstellung, daß jemand zunächst blind ein sehr teures Kabel ohne vorherigen Test kauft und sich dann hinterher das Kabel "schön hört", um den hohen Kaufpreis vor sich und anderen zu rechtfertigen, ist grotesk und sagt eher etwas über die schlichte Vorstellungswelt der Kabelklanggegner aus.
Die Kabelklanggegner (oder Holzohren, wie sie sich mittlerweile gerne selbst nennen) fordern ernsthaft, dass man daher als Hörer besser nicht seinen eigenen Sinnen (die ja bekanntermaßen unzuverlässig und leicht täuschbar sind) trauen sollte, sondern eher "dem gesunden Menschenverstand", der natürlich durch ihre Argumente repräsentiert wird .
Der Vorschlag, sich mit dem Kabel aus dem Baumarkt zufrieden zugeben, stellt ihrerseits eine unverblümte Aufforderung zur Autosuggestion dar.
Irgendwo im Internet konnte man in diesem Zusammenhang sogar lesen, es sei sowieso egal, welches Kabel oder andere Hifikomponente man wählt - das Gehör gewöhnt sich an alles.
Das ist wohl in vielen Fällen, wo einem nichts weiter übrig bleibt, richtig, das Musikhören macht aber dann auch oftmals keinen richtigen Spaß mehr.
Natürlich spielt immer ein gewisser Teil von "Autosuggestion", wenn man es so nennen will, beim Musikhören eine Rolle. Übersteigt diese allerdings ein gewisses Maß, d.h. wird der Aufwand für das Gehirn zur Aufrechterhaltung der Illusion zu groß, so neigt die Musikwiedergabe beim Langzeithören irgendwann zur Lästigkeit.
Man kann sich als erfahrener Hörer nicht unbegrenzt lange eine mittelprächtige Hifianlage "schön hören"
Man kann gewinnt den Eindruck, die Holzohren wüssten überhaupt nicht, worum es den meisten engagierten Hörern beim Musikhören überhaupt geht – nämlich um die Erzeugung einer möglichst perfekten und für das Gehirn mühelosen Illusion.
Selbstverständlich muss da der Hörer mit seinem Kopf mitarbeiten (es steht bei ihm realiter eben kein Orchester im Wohnzimmer), aber alle weiterführenden technischen Maßnahmen, die ihm die Erzeugung dieser Illusion erleichtern, tragen zum stressfreien Langzeithörern mit bei.
Welche Maßnahmen nun wirklich bei ihm zielführend sind, muss jeder Hörer für sich im Versuch selbst entscheiden.
Das macht ja gerade den Spaß des Hobbys „Hochwertige Musikwiedergabe“ aus: man formt sich seine eigene individuelle Illusionsmaschine nach eigenen Prämissen und Möglichkeiten.
Ausgesuchte Kabel gehören auf jeden Fall dazu.
Die Tatsache, dass viele Audioingenieure über Erfahrungen mit Klangunterschieden bei Verstärkern und Kabel berichten können, wird oft abwertend als reine Loyalität zu ihren Arbeitgebern oder als eigennützige Unterstützung für ihren Geschäftsbetrieb abgetan. Man kann in Einzelfällen natürlich so etwas nie ausschließen, aber in der Regel ist dem nicht so.
Niemand setzt seine eigene Reputation für eine erkennbar windige Angelegenheit aufs Spiel.
Fast jeder Ingenieur wird sich nach seiner Ausbildung, wenn er vorher noch nicht in das Thema analoge Audioentwicklung intensiv involviert war, verständlicherweise diesem Thema mit Vorsicht und Skepsis nähern. Das ändert sich jedoch in der Regel, je mehr er in dieses Thema einsteigt – vorausgesetzt natürlich, Hörtests als Qualitätskontrolle sind integraler Bestandteil seiner Entwicklungsarbeit.
Was ist also von der Diskussion um Kabelklang zu halten?
In der Tat sind ja die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Kabelkonstruktionen genaugenommen eher subtil, verglichen z.B. mit Unterschieden zwischen Lautsprecherboxen oder den Unterschieden vor und hinterher einer erfolgreichen raumakustischen Behandlung des Hörraums.
Wie klingt „Kabelklang“?
Diese Unterschiede lassen sich nicht immer als einfache Frequenzgangänderungen beschreiben (wie: mehr Bass, mehr Höhen usw.), sondern bei besseren Konstruktionen eher als unterschiedliche Raumdarstellung, Durchzeichnung, Plastizität oder einfach als mehr oder weniger natürliche Abbildung – jedenfalls nicht immer einfach in Worte zu fassen. Viele Hörer sagen, die besseren Kabel würden "selbstverständlicher" klingen.
Für jemanden ohne sichere Hörerfahrung können sich diese Unterschiede durchaus im Rahmen einer gewissen Beliebigkeit bewegen und als Autosuggestion abgebucht werden.
Leider wurden diese Unterschiede in manchen Zirkeln, Publikationen und natürlich Werbeprospekten sprachlich unangemessen hervorgehoben bzw. übertrieben, so dass dann Außenstehende, die das in dieser Form nicht ohne weiteres nachvollziehen können, mit einigem Recht diese Aussagen in Zweifel ziehen.
Aus dieser Diskrepanz heraus läßt sich vermutlich der Ursprung dieser Diskussion herleiten.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass „bessere“ Audioverbindungen das Audiosignal niemals verbessern, sondern nur weniger verschlechtern. Das beste Kabel ist kein Kabel.
Nichtsdestotrotz sind diese Unterschiede vorhanden und sind schon seit einiger Zeit Gegenstand eingehender physikalischer Untersuchung (siehe Referenzliste am Schluss des Artikels).
Woher kommen also dieses Divergenzen, wenn man sie auf die sachliche Ebene beschränken will?
Vielleicht sollte man zunächst mit dem Aufzeigen der unterschiedlichen Argumente beider Lager beginnen.
Die Kabelklanggegner begründen ihre Ansicht zunächst damit, dass sie selbst noch nie Unterschiede zwischen Audioverbindungen gehört haben und auch noch kein „offiziell anerkannter Blindtest“ das Vorhandensein dieser Unterschiede dokumentiert hat.
Auch physikalisch gäbe es wenig Anhaltspunkte für Kabelklang.
Die einzige Erklärung für „Kabelklang“ wäre Autosuggestion.
Das ist politisch korrekt und als Haltung nicht angreifbar. Das macht auch niemand. Den durchschnittlichen Musikliebhaber interessiert es nicht, ob sein Nachbar den selben Grad der Empfindung hat.
Zumal man das erste Argument als "Kabelklanghörer" gut nachvollziehen kann.
Ungeeignete Wiedergabeanlagen
Nur bei einer sorgfältig installierten Anlage mit möglichst unverfärbter Wiedergabe in guter raumakustischer Umgebung kommen solche diffizilen Unterschiede überhaupt zum Tragen. Zusätzliche Voraussetzung sind zudem noch genaue Kenntnis der akustischen Charakteristik der eigenen Anlage, natürlich in Verbindung mit entsprechender Hörerfahrung.
Ungeübte Hörer mit mittelmäßigen und lieblos zusammengestellten Anlagen haben hier nur wenig Chance.
Sie wissen meist überhaupt nicht, auf was sie hören müssen, wenn sie Kabelunterschiede detektieren sollen.
Bei niedrigen Ansprüchen an die Wiedergabe und entsprechend ausgewählten Komponenten kommt allerdings auch nicht der Wunsch nach Verbesserung durch z.B. geeignetere Audioleitungen auf; andere Baustellen hätten hier vermutlich zu Recht eher Vorrang.
Meistens fehlt bei den „Holzohren“ auch ein gewisses Schlüsselerlebnis, bei dem sie erfahren durften, welche Wiedergabequalität bei zielgerichteter Zusammenstellung und sachgerechten Aufbau der Anlage mittlerweile überhaupt möglich ist.
Goethe: „Man sieht nur, was man weiß.“ Das gilt auch für das Hören.
Dieses Manko hat sich größtenteils, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, leider der einschlägige Fachhandel hinter die Ohren zu schreiben.
Lieblose Vorführungen mit zufällig zusammengestöpselten Komponenten in akustisch ungünstiger Umgebung sind eher die Regel als die Ausnahme.
Statt Musikerlebnisse zu vermitteln, die dann Appetit auf mehr machen, wird einseitig auf den schnellen und möglichst aufwandlosen Verkauf bei maximaler Rendite gesetzt.
Nur wer weiß, auf was er hören muss, hört es auch, sofern die Qualität seiner Anlagenkomponenten und Raumakustik dies zulassen.
Die Auswertung von Hörereignissen im Gehirn funktioniert leider so, dazu später mehr.
Ungeeignetes Programmmaterial
Ein weiterer Punkt ist das Programmmaterial.
Erfahrungsgemäß ist es für den ungeübten Hörer einfacher, mit möglichst natürlich aufgenommener und elektronisch möglichst wenig bearbeiteter Musik Unterschiede bei Kabeln zu erkennen. Das ist in der Regel bei Jazz und klassischer Musik der Fall.
Klavier und Stimme z. B. sind sehr aufnahmekritisch und auch in der Wiedergabe nicht ganz unproblematisch.
Diese Art von Musik bereitet auf mittelmäßigen Anlagen nur wenig Spaß, wenn man halbwegs mit dem Originalklang vertraut ist. Die Chance, hier Unterschiede bei Kabeln zu hören, ist daher ebenfalls gering.
Für studiomäßig stark bearbeitete Musik, wie es heute für viele Genres üblich ist, ist die Forderung nach „natürlicher“ Klangwiedergabe mehr oder weniger obsolet geworden.
Diese „Natürlichkeit“ ist vom Hörer hier nicht mehr erfahrbar und nachprüfbar und dann mangels geeignetem Maßstab auch eigentlich unwichtig geworden, ebenso dann natürlich wie irgendwelche subtilen Klangunterschiede zwischen Kabeln, Verstärkern oder Quellengeräten.
Ein geübter Hörer kann dann allerdings Kabelklangdifferenzen mit beliebigem Programmmaterial erkennen.
Blindtests
Das zweite Argument der Holzohren ist das Fehlen von dokumentierten Blindtests zum Nachweis von „Kabelklang“.
Allerdings fehlt ebenfalls der Nachweis, dass mit dieser Art von Test ein Nachweis von „Kabelklang“, bzw. von Klangdifferenzen, die in der gleichen Größenordnung wie „Kabelklang“ liegen, überhaupt zuverlässig möglich ist.
Solange man bei diesen „Tests“ auch nicht vorhandene Unterschiede nicht eindeutig detektieren kann, wird man auch vorhandene Unterschiede nicht eindeutig detektieren können.
Wenn bei einem Blindtest, bei dem immer nur das gleiche Kabel eingeschleift wird, trotzdem Unterschiede gehört werden, zeigt das deutlich, dass kurzzeitiges Umschalten zur Erkennung von Reizen unterhalb einer gewissen Schwelle nicht geeignet sind. Das bedeutet aber nicht, dass diese nicht mit Hilfe von Langzeittests detektiert werden können.
Langzeittests sind ein jahrelang bewährtes Instrument zur Qualitätsbeurteilung von Hifi-Komponenten.
Zum Thema „Blindtest“ und damit verbundenen Problemen möchte ich dann hier zwecks Vermeidung von Redundanzen weiterführend auf den Artikel: „Sind Blindtests zum Testen von Audio-Komponenten geeignet?“ in unserer FAQ verweisen.
Trotzdem aber noch ein kurzes Zitat aus diesem Artikel zur Erläuterung:
Zur Psychoakustik sei nur soviel angemerkt, dass es nach Stand der heutigen Erkenntnis für das neuronale System gar nicht so einfach ist, verschiedene kurz aufeinanderfolgende akustische fast gleichartige Ereignisse, wie es bei einem üblichen Blindtest üblich ist, voneinander zu unterscheiden.
Das neuronale System arbeitet nach dem Prinzip des "minimalen Aufwandes":
In dem Erkenntnisprozess musikalischer (oder anderer sensorischer) Botschaften legt das System zunächst alles beiseite bis auf ein bestimmtes Minimum an Informationshinweisen.
Wenn die Erkennung erfolgreich war, wendet sich das System der nächsten Botschaft zu. Wenn nicht, greift es auf das Kurzzeitgedächtnis zurück und sucht nach zusätzlichen Hinweisen.
Das gilt nicht nur für Einzeltöne, sondern auch für die musikalische Botschaft als Ganzes:
Das Nervensystem versucht, jede von früheren Erfahrungen her vorhandene Information (d.h. im Langzeitgedächtnis gespeicherte Botschaften) zu benutzen, um den Erkennungsprozess neu herankommender Information zu beschleunigen und, wenn möglich vorherzusagen.
(Quelle: Juan G. Roederer, Physikalische und psychoakustische Grundlagen der Musik, Springer-Verlag, 2000, ISBN 3-540-61370-6)
Physikalische Hintergründe von Kabelklang
Das letzte Argument der „Holzohren“ ist dann die „physikalische Unmöglichkeit“ von Kabelklang. Das impliziert, dass die „Holzohren“ die moderne Physik quasi „in der Tasche haben“. Das Gegenteil ist meist der Fall.
Nur selten geht daher der Betrachtungswinkel bei den üblichen Kabelklanggegnern über das Ohmsche Gesetz hinaus. Mit dem zugegebenermaßen äußerst komplexen Thema Elektrodynamik können die meisten nichts anfangen, obwohl nur hier Erklärungsansätze zum Thema Kabelklang liegen können, wie wir sehen werden.
Die physikalische Möglichkeit von „Kabelklang“ ist längst seit dreißig Jahren aufgezeigt worden und auch in der Zwischenzeit von keiner Seite ernsthaft widerlegt worden. Diskussion gibt es eigentlich nur über die Hörbarkeit der aufgezeigten Effekte, da diese selbstverständlich größenordnungsmäßig sehr gering sind.
Diese mögliche Erklärung lieferte einer der weltweit bestrenommierten Forscher im Audiobereich Prof. Malcolm Hawksford (University of Essex).
Aufbauend auf seinen Überlegungen ist z.B. auch die TMR Ramses-Kabeltechnologie entwickelt worden, die Hawksfords theoretische Überlegungen glänzend in der Praxis bestätigt hat.
Physiker entwickeln Gesetzmäßigkeiten anhand von Modellen, mit der sie Naturphänomene erfassen, erklären und vorherzusagen versuchen.
Die Modellbildung abstrahiert allerdings mit dem Erstellen eines Modells von der Realität, weil diese meist zu komplex ist, um sie genau abzubilden.
Dies wird aber auch gar nicht beabsichtigt, vielmehr sollen lediglich die wesentlichen Einflussfaktoren identifiziert werden, die für den zu betrachtenden Prozess bedeutsam sind.
Griffige Formeln wie die Gesetze von Ohm, Kirchhoff, Thompson, die Vierpolfiltertheorie u.s.w. sind Vereinfachungen komplexer Gleichungen aus der Elektrodynamik, die aber für den täglichen Ingenieursbedarf die Verhältnisse hinreichend genau beschreiben.
Beispiel Skineffekt
Oftmals wird behauptet, dass der sog. „Skin-Effekt“, der oftmals in Verbindung mit Audiokabeln genannt wird, keinen Einfluss auf die Wiedergabe im NF-Bereich hat, da die Stromverdrängung an die Oberfläche des Leiters nur bei sehr hohen Frequenzen weit außerhalb des Übertragungsbereichs stattfindet und daher nur im HF-Bereich relevant ist.
Das ist nur halb richtig. Es geht hier gar nicht um Stromverdrängung und daraus resultierend Widerstandserhöhung bei hohen Frequenzen, die ist hier tatsächlich irrelevant, sondern um die frequenzabhängige Eindringtiefe von elektromagnetischen Feldern in den Leiter.
Dieser Effekt tritt nur im NF-Bereich auf; im HF-Bereich ist das Leiterinnere aufgrund der geringen Eindringtiefe bis auf die Oberfläche praktisch stromfrei. Man kann deswegen auch problemlos sog. Hohlleiter für die hochfrequente Signalübertragung nutzen.
Mehr dazu in dem Artikel: "Skin-Effekt oder: Warum Kabel klingen" auf unserer FAQ-Seite.
Audiokabel als Vierpole
Audiokabel sind in erster Näherung im physikalischen Sinne sogenannte lineare Vierpole, d.h. sie verfügen in der Regel über zweipolige Ein- und Ausgänge – sozusagen eine Blackbox mit vier Anschlüssen.
Die Blackbox kann man nach den Regeln der Vierpol-Filtertheorie untersuchen und bewerten.
Ein Audiokabel hat demnach vier Eigenschaften: Widerstand, Induktivität, Kapazität und Ableitung (dielektrische Verluste).
Alle Parameter liegen in der Regel wertmäßig so, dass eine Beeinflussung des Nutzfrequenzganges normalerweise nicht möglich ist. Alle möglichen Einflussnahmen liegen weit außerhalb des Übertragungsbereiches.
Nur in sehr seltenen ungünstigen Fällen kann es zu Beschränkungen des Frequenzgangs durch Fehlanpassungen kommen, wenn z.B. ein hochohmiger Ausgangswiderstand eines Vorverstärkers auf ein hochkapazitives Verbindungskabel zum Endverstärker trifft.
Ferner kann ein Lautsprecherkabel geringen Querschnitts durch seinen höheren Widerstand das Ausschwingverhalten des Tieftöners negativ durch Erhöhung des Gütefaktors (wenn er vorher schon hoch genug war) beeinflussen.
Bei Tieftönern mit einer sehr niedrigen Güte (z.B. durch starken Antrieb oder Bedämpfung durch entsprechende Schallführung) kann die Erhöhung des Kabelwiderstands wiederum sogar zu einer Verbesserung des Wiedergabeverhaltens (Linearität des Tieftonfrequenzganges) führen.
Man sieht, es kommt immer auf den jeweiligen Einzelfall an.
Der oft zitierte Dämpfungsfaktor eines Verstärkers, der u. a. durch den Lautsprecherkabelwiderstand verringert wird, spielt heutzutage eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist der resultierende Gütefaktor der Lautsprecherbox, der durch die Summe aller Widerstände (Verstärkerinnenwiderstand + ohmscher Kabelwiderstand + ohmscher Widerstand der Frequenzweichentieftoninduktivität) maßgeblich beeinflusst wird. Die Auswirkungen sind zwar ähnlich wie beim Dämpfungsfaktor, nur dass es bei letzterer Betrachtungsweise nicht um einen zu erzielenden besonders hohen Wert wie beim Dämpfungsfaktor, sondern um den richtigen Wert geht. Und der hängt von den Parametern des Tieftonchassis und seiner Schallführung ab.
Die meisten modernen Lautsprecherboxen (von kleinen langhubigen Kompaktboxen einmal abgesehen) sind auf Bedämpfung durch den Verstärker eigentlich nicht wirklich angewiesen und können dann sogar bei ungünstiger Konstellation manchmal etwas zu schlank klingen.
Auch Leistungsverluste aufgrund des ohmschen Widerstands der Audiokabel spielen bei hifiüblichen Längen und Querschnitten keine Rolle.
Externe Störungseinflüsse, die über das Lautsprecherkabel in den Endverstärker rückwirken, wurden von wohlmeinenden Holzohren ebenfalls als möglicher Klangeinfluss ins Spiel gebracht, aber die Art der auftretenden Klangunterschiede spricht eigentlich erfahrungsgemäß dagegen.
Zusammengefasst heißt das: Es gibt, von o.a. Einflüssen aufgrund des Kabelwiderstands und Fehlanpassung einmal abgesehen, keine Einflüsse des Lautsprecherkabels auf den Klang, die man mit der (linearen) Vierpolfiltertheorie erklären könnte.
Das war auch nicht bei der Subtilität der Phänomene zu erwarten.
Hier muss man dann wohl mit Hilfe der Elektrodynamik unter Berücksichtigung elektromagnetischer Felder (die sonst nur bei Hochfrequenztechnik angewendet wird) etwas tiefer einsteigen.
Genau das hat Prof. Hawksford schon Mitte der 80ziger Jahre gemacht und veröffentlicht (zu seinen Erkenntnissen steht er übrigens selbstverständlich immer noch, wie ein Interview von 2009 belegt).
Hawksford postulierte einerseits nichtlineare Elemente (z.B. Diodenwirkung an metallischen Korngrenzen) sowie wegen der frequenzabhängigen unterschiedlichen Eindringtiefe des elektromagnetischen Feldes unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten in und außerhalb des Leiters.
Schon da war erkennbar, dass prinzipbedingt die messtechnische Isolierung der Kabeleinflüsse auf das Signal äußerst schwierig ist. Vermutlich werden wir die messtechnische Bestätigung von „Kabelklang“ erst als Beifang von irgendwie benachbarter zukünftiger Forschung erleben.
Audiokabelentwicklung also im Blindflug?
Ein Dozent für Werkstoffkunde hatte einmal erklärt: „Die Ingenieure machen manchmal etwas, was funktioniert, ohne genau zu wissen, warum es so funktioniert. Hauptsache, es funktioniert. Irgendwann wird dann ein junger Physiker kommen und seine Doktorarbeit über dieses Thema schreiben.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. „Try-and-Error“ ist eine völlig legitime und sehr oft zum Erfolg führende Vorgehensweise zur Lösung von technischen Problemen.
Viele renommierte internationale Audio-Entwickler und Physiker in Forschung und Lehre haben inzwischen „Kabelklang“ als Fakt akzeptiert und in ihre Arbeit mit einbezogen (siehe Referenzliste am Ende des Artikels).
Preis
Innerhalb einer Kabelklangdiskussion wird über kurz oder lang dann die Preis-Frage thematisiert.
Warum müssen eigentlich „bessere“ Kabel so teuer sein?
Wenn es das überragende Kabel für wenig Geld geben würde, hätte sich dies schon längst herumgesprochen.
Im Internetzeitalter lässt sich nichts mehr geheim halten. Niemand hat mehr die Macht, Informationen zu unterdrücken. Und es gibt keine bessere Möglichkeit, Informationen schnell zu verbreiten, als sie zum „Geheimtipp“ zu deklarieren.
Kurz und gut: ein in der Regel als „besser“ empfundenes Kabel kostet leider in der Praxis einfach mehr als ein schlichtes Baumarktkabel. Das kann verschiedene Gründe haben. Selbstverständlich gibt es auch hier wie in jeder Branche schwarze Schafe, die ohne gerechtfertigten Aufwand einfach nur ausloten wollen, was der Markt hergibt („Irgendeinen Dummen findet man immer.“).
Diese Geschäftspolitik hat sich allerdings langfristig als Geschäftsmodell noch nie durchsetzen können. So was bereinigt der Markt ziemlich schnell. Diese Produkte findet man dann spätestens nach zwei Jahren zu einem Bruchteil ihres Einstandspreises auf dem Gebrauchtmarkt wieder.
Ein weiterer Kritikpunkt am Kabelmarkt trifft das Umlabeln von preiswerter Industriestandardware zu teuren Hausmarken von Hififirmen, die eigentlich in der Entwicklung von Kabeln nicht selbst involviert sind.
Das kommt öfter vor als man denkt. Es gibt nur wenige Hersteller, die ihre angebotenen Produkte auch selbst fertigen. TMR ist übrigens einer davon.
Inzwischen gibt es in Fernost ganze Fabriken, die nur mit der Produktion von OEM-Show-Highend-Kabeln beschäftigt sind.
Bleiben wir also bei den Anbietern, die auf Audiokabel spezialisiert sind und in ihre Produkte eigenständigen Entwicklungsaufwand gesteckt haben.
Letztendlich ist der resultierende Preis immer eine Frage von Angebot und Nachfrage, des nötigen Aufwandes und der zu erwartenden absatzfähigen Stückzahl. Der Highend-Markt war immer schon ein sehr kleines Marktsegment innerhalb der Unterhaltungselektronik, so dass die zu erzielenden Verkaufszahlen und damit auch die Preise auf jeden Fall im exklusiven Bereich anzusiedeln sind.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Diskussion über „Kabelklang“ vermutlich noch sehr lange anhalten wird.
In der Zwischenzeit werden diejenigen Hörer, die vorurteilslos an die Verbesserung ihrer Wiedergabeanlage herangegangen sind und für sich die richtigen Audioverbindungen gefunden haben, entspannt ihre Musik genießen können.
Geht man vom Aggressionspotential aus, das bei typischen Kabelklangdiskussionen bei den „Holzohren“ zu beobachten ist, scheint das bei ihnen nicht der Fall zu sein.
1. Martin Colloms, High Performance Loudspeakers, Sixth Edition, John Wiley & Sons, Ltd, 2005, ISBN-10: 0-470094-30-3, 532 Seiten, Englisch.
Auf Seite 321 beginnt das Chapter 6.4.: The Amplifier-Loudspeaker Interface. Dort wird bis Seite 327 u.a. auf Hawksfords Ausführungen Bezug genommen.
2. Philip Newell, Keith Holland, Loudspeakers for Music and Reproduction, Focal Press, First Edition 2007, ISBN-10: 0-2405-2014-9, 400 Seiten, Englisch.
3. Fred A. Davis: Effects of Cable, Loudspeaker, and Amplifier Interactions
4. Hawksford: Publications
5. Ben Duncan, High Performance Audio Power Amplifiers, Newnes 1997, ISBN 0750626291, 463 Seiten, Englisch.
Auf Seite 367 beginnt der Abschnitt über Lautsprecherkabel.
6. John Watkinson, The Art of Soundrecording, Focal Press 1998, ISBN 0 240 51512 9, 552 Seiten, Englisch.
Auf Seite 187 beginnt der Abschnitt über Lautsprecherkabel.
7. About Technology: Do Speaker Cables Make a Difference?
8. TNT-Audio: The Naked Truth about Speaker-Cables
9. SoundonSound: Audio Cables & Wiring
Anmerkungen:
Holzohr:
Das "Urheberrecht" für diesen Ausdruck gebührt Charly aus dem Open-End-Music-Forum
Nichtlineare Effekte:
Mit üblichen Verzerrungsmessungen wird man diesem Effekt vermutlich nicht auf die Spur kommen.
Douglas Self hat in "Audio Power Amplifier Design" (6.Ed. 2013, ISBN: 978-0-240-52613-3, S.16ff)
Bezug auf Hawksford genommen und seine erfolglosen Ultra-Low-Distortion-Messungen an Kondensatoren und Kabel beschrieben.
Hörerfahrung:
Jason Corey: Audio Production And Critical Listening, Focal Press, 2010, ISBN: 978-0-240-81295-3, 175 Seite, Englisch.
Auf Seite 160 schreibt er: With time and continued practice, the perception of auditory events opens up and one begins to notice sonic characteristics that were previously not audible.