Grundsätzlich sollte jedes Audiogerät frequenzunabhängige Übertragungseigenschaften haben.
Das funktioniert allerdings weder in Theorie noch in Praxis, d.h. jedes Audiogerät hat eine obere und untere Grenzfrequenz.
Bei einigen Geräten, u.a. speziell bei Schallwandlern, ist sogar der Bereich zwischen beiden Eckfrequenzen nicht mehr linear, sondern weicht mehr oder weniger wellenförmig von der Ideallinie ab.
Der Begriff "Frequenzgang" selbst ist im Sprachgebrauch bei Lautsprechern etwas diffus, da er nur die Abszisse, d.h. die waagerechte Komponente eines zweidimensionalen Diagramms im Frequenzbereich bezeichnet.
Es gibt Frequenzgänge der Impedanz (Amplitude und Phase), des Schalldrucks (Amplitude und Phase), des Klirrfaktors usw. .

Gemeint ist im allgemeinen der Amplitudenfrequenzgang des Schalldrucks. Dieser wird bei Lautsprecherboxen an einem Punkt vor den Lautsprechern gemessen. Wo diese gemessenen Lautsprecher stehen, ob Freifeld, reflexionsarmer Raum oder Norm-Wohnraum, ist damit noch nicht ausgesagt.

Am aussagekräftigsten sind eigentlich zwei Schalldruckmessungen:

  • Messungen in einen Hallraum. Dies ist ein möglichst reflexionsreicher und dämpfungsarmer Raum. Damit wird die abgestrahlte (abstrahlwinkelunabhängige) Gesamtenergie eines Lautsprechers festgestellt, da sich nach kurzer Zeit die Schallenergie idealerweise überall gleichmäßig im Hallraum verteilt hat.

  • Messungen in einem reflexionsarmen Raum (im Sprachgebrauch "schalltoter" Raum). Damit wird der Schalldruck eines bestimmten Abstrahlwinkels festgestellt.

Der normale Wohnraum liegt von seinen Eigenschaften irgendwo zwischen beiden Meßorten.
Je nach Bedämpfung und Größe des Raums, Standort des Lautsprechers und Meßposition ergeben sich nun unterschiedliche Frequenzgänge. Das ist völlig normal.
Daß der resultierende Frequenzgang beim Lautsprecher noch von

  • Abstand des Meßmikrofons

  • vertikale Höhe der Meßposition

  • Meßsignal (Sinus, gewobbelter Sinus, Multisinus, Impuls, Terz-, Oktav- oder sonstiges Rauschen)

  • Meßmethode (Pegelschreiber, FFT-Analyser, Terz- oder Oktavanalyser)

  • Abstrahlcharakteristik des Lautsprechers (Dipol, Horn, Omnidirektional, Breitband)

abhängt, sollte jetzt mal vernachlässigt werden.

Bei beiden genannten Meßorten (Hallraum, schalltoter Raum oder Freifeld auf Achse gemessen) sollte der resultierende Frequenzgang allerdings schon möglichst linear und vor allem bei einem Stereo-Lautsprecher-Paar möglichst gleich sein.
Im Wohnraum ergibt sich dann aufgrund der Bedämpfung und Raumgröße eine mehr oder wenige abweichende Linie. Aufgrund der Raumresonanzen und Reflexionen wird der Frequenzgang bei einer Sinusmessung sehr wellig und zerklüftet aussehen. Das ist normal und auch nicht anders zu erwarten.
Hieraus ist auch leicht ersichtlich, welche große Bedeutung eigentlich die Raumakustik spielt.

Schon kleinste Abweichung von der Ideallinie im Amplitudenfrequenzgang sind hörbar. Allerdings fällt bei einer sehr großen Anzahl von Abweichungen die Einzelabweichung nicht mehr so ins Gewicht, da das Ohr eine Art Mittelwertgewichtung bei Abweichungen, deren Bandbreite eine gewisses Maß nicht überschreitet, vornimmt.

Generell gilt:

  • Anhebungen wirken störender als Absenkungen

  • Je linearer die Kette, desto mehr stören Abweichungen

Dann gibt es auch noch die Frage der persönlichen Preferenzen, die u.a. auch vom Grad der "Hörbildung" abhängen.

Zusammengefaßt läßt sich also sagen, daß die meisten veröffentlichten Frequenzgänge nichts über den resultierenden Klang aussagen, da der Amplitudenfrequenzgang zum einen nur ein Parameter ist (der auch gerne mal aus werbetechnischen Gründen oder einfach aus Unkenntnis zu Lasten anderer Parameter linearisiert wird), zum anderen keine konstante Größe ist.

Als Anhaltspunkt sei nur einmal der resultierende Frequenzgang genannt, wie er in Tonstudios in der Praxis in den Abhörräumen eingestellt wird. Hier wird er an der Hörposition bis zu einer Frequenz von 5...8 kHz linear gehalten, darüber senkt man ihn so ab, daß bei einer Frequenz von 16 kHz ein Abfall von 6...10 dB erreicht wird. Dieser Frequenzgang entspricht im Allgemeinem einem linearen Frequenzverlauf im Direktfeld des Lautsprechers.

Für den Frequenzgang von Kinolautsprechern gibt es eine weltweit geltende Normierung, die ISO 2969, die auf Empfehlung von Dolby Laboratories zurückgeht. Hier fällt der Frequenzgang ab 2 kHz mit 3 dB/Okt. ab.
Für Mehrkanal-Consumerformate gilt die ITU-RBS.775-1. Hier fällt der Frequenzgang ab 2 kHz mit 1 dB/Okt. ab.

Grundsätzlich wäre noch festzuhalten, daß Studio-Lautsprecher und Heim-Lautsprecher nicht miteinander zu vergleichen sind. Studio-Lautsprecher werden für eine Umgebung gebaut, wo die akustischen Parameter des Hörraums weitestgehend festgelegt bzw. weitreichende Möglichkeiten (z.B. parametrische Equalizer, Pegelregler bei Aktivlautsprechern) zur Optimierung vorhanden sind. Man kann davon ausgehen, daß Studio-Lautsprecher grundsätzlich auf den ohnehin akustisch optimierten Hörraum eingemessen werden.
Diese Möglichkeit besteht normalerweise im Heimbereich nicht.
Hier müssen bei der Lautsprecherentwicklung die zukünftigen Abspielbedingungen vorausgeahnt und entsprechend kompensiert werden. Letztendlich geht es allein um die Zufriedenheit des Hörers. Daher sind Meßergebnisse in einer Umgebung, für die der Lautsprecher nicht gebaut worden ist (z.B. reflexionsarmer Raum) irrelevant und sagen nichts über den tatsächlich resultierenden Klang im Wohnraum aus. Meßtechnisch sind daher an Heim- und Studio-Lautsprecher unterschiedliche Bewertungen anzulegen.
Die vielzitierte Diskrepanz aus Meß- und Hörergebnis hat u.a. auch hier ihren Ursprung.